DIE ANFÄNGE DES BALLONFAHRENS BIS ZUM HEUTIGEN TAGE

VON DEN ANFÄGEN BIS 1700

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In vielen alten Sagen und Legenden geht es um den Menschheitstraum vom Fliegen. Bekanntestes Beispiel ist vielleicht "Ikarus". Entsprechend früh wurden die ersten Versuche zur Überwindung der Schwerkraft unternommen. Bereits Archimedes von Syrakus (287 – 212 v.Chr.) entdeckte das Auftriebsprinzip des Wassers. Ein eingetauchter Körper verliert danach genauso viel an Gewicht, wie das von ihm verdrängte Wasser wiegt! Im 16. Jhr stellte dann Galileo Galilei fest, dass auch Luft ein Gewicht hat.

Doch auch ausserhalb Europas war man am Fliegen interessiert. So brachte ein portugiesischer Priester 1709 das Modell eines Heißluftballons von Brasilien nach Portugal, um es dem König vorzuführen; von einem erfolgreichen Flug des Ballons in Originalgröße ist allerdings nichts bekannt. Dass der Heissluftballon in Südamerika früher als in Europa bekannt war, wird immer wieder spekuliert. So baute man 1975 einen funktionstüchtigen Heissluftballon mit Materialien, wie sie der Nazca-Kultur bereits vor 2000 Jahren bekannt waren. Möglicherweise ist dies eine Erklärung für die bekannten Steinbildnisse in der nach der Nazca-Kultur benannten Hochebene.

1800 - 1900

Bald erkannte man im Ballon ein Werkzeug zur Erforschung der Erdatmosphäre. So unternahmen die Franzosen Joseph Gay-Lussac und der Physiker Biot 1804 Flüge zu Forschungszwecken in große Höhen (4000 m, 7000 m), von wo man Luft in Vakuumflaschen mitbachte. Rund fünfzig Jahre später kombinierte Henri Giffard einen Ballon mit einer Dampfmaschine. Das erste lenkbare Luftschiff war geboren. 1858 entstanden dann bereits die ersten Luftbilder durch den Fotopionier Félix Nadar über Paris.

Diese Fortschritte machte sich auch das Militär zu Nutze. So hatten die amerikanischen Unionstruppen 1861 bereits sieben Aufklärungsballone im Einsatz. Auch Graf Ferdinand von Zeppelin besucht Amerika, um den Verlauf des Bürgerkriegs zu verfolgen, und steigt mit einem Ballon auf. Den zweiten kriegswichtigen Einsatz hatten Ballone 1870 - 1871 während der Belagerung von Paris! Freiballone wurden zum Transport von Post und Flüchtlingen eingesetzt; insgesamt 62 werden gebaut, von denen 6 in Feindeshand fallen und 2 verloren gehen. Nadar, der Luftbilder für Landkarten aufnehmen wollte und auf dem Weg von Paris nach Tours war, traf auf einen Deutschen Ballon - und wurde in den ersten Luftkampf der Geschichte verwickelt, welcher aber glücklicherweise ohne Verluste verlief. In den achziger Jahren des 19. Jhr. forderte schliesslich Graf Ferdinand von Zeppelin den Bau von Luftschiffen zu militärischen Zwecken in Deutschland. Es dauerte bis zum 2. Juli 1900 bis das erste Luftschiff von Zeppelin - die L.Z. 1 -die schwimmende Werfthalle am Bodensee für seine Jungfernfahrt verlies.

1900 - 1945

Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war die Ballon- und Luftschifffahrt bereits etabliert und hatte ihren festen Platz in Wissenschaft, Militär und gesellschaftlichem Vergnügen. Wo immer ein Ballon oder Luftschiff ausgestellt wurde, sammelten sich große Menschenmengen. Die Internationale Luftschiffahrt-Ausstellung (ILA) in Frankfurt im Jahre 1909 wurde von drei Millionen Menschen besucht. Sie ließ auch in Marburg den Wunsch aufkommen, an der "Eroberung des Luftraums" teilzuhaben. Mit der Gründung des "Kurhessischen Vereins für Luftfahrt von 1909 e.V." und der Anschaffung eines Gasballons mit dem Namen "Marburg" zur Erforschung der Atmosphäre durch den berühmten Forscher Alfred Wegener, begann die mehr als 90jährige Geschichte unseres Vereins.

Während des Ersten Weltkriegs wurden alle Ballons zum Fronteinsatz eingezogen. An Seilwinden befestigt dienten sie zur Beobachtung von Truppenbewegungen und zur Ausrichtung des Artilleriefeuers. Ab 1915 dienten deutsche Luftschiffe zum Bombenabwurf über feindlichem Gebiet und 1917 brachte die deutsche L.Z. 104 Nachschub nach Afrika, wo die Besatzer die Waffen jedoch bereits niedergelegt hatten. Nach dem Ersten Weltkrieg lag die Luftfahrt in Deutschland zunächst brach. Dies betraf auch die Ballonfahrt. Im "Kurhessischen Verein für Luftfahrt" nahm man die Ballonfahrt erst wieder in den achziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts auf.

Währenddessen wurden in der Luftfahrt andere Prioritäten gesetzt. Der Motorflug gewann nach dem Ersten Weltkrieg weltweit mehr und mehr an Bedeutung. Parallel dazu entwickelte sich die Luftschifffahrt. Die Ballonfahrt eregte aber immer wieder Aufsehen durch spektakuläre Expeditionen und Rekorde. So unternahm 1927 der amerikanische Hauptmann Hawthorne C. Grey seine ersten Aufstiege in Richtung Stratosphäre. Beim ersten Versuch musste er den Ballon aufgeben - und stellte unbeabsichtigt einen Freifallrekord für Fallschirmspringer auf, der lange ungebrochen blieb. Beim zweiten Aufstieg erreichte er eine Höhe von 12.945m - und kam ums Leben. 1931 starteten Prof. Dr. Auguste Piccard und Ingenieur Paul Kipfer von Augsburg aus mit ihrem Stratosphärenballon "F.N.R.S" (Fonds National de la Recherche Scientifique) in einer druckbelüfteten Kapsel. Mit einer Höhe von 16.203m waren sie die ersten Menschen in der Stratosphäre. Sie schlugen damit den 30 Jahre alten Höhenrekord von Berson und Süring. Weitere Höhenrekorde folgten, bis Stevens und Anderson 1935 in der "Explorer II" von South Dakota aus auf 22.612m stiegen. Dieser Höhenrekord sollte 21 Jahre nicht gebrochen werden.

Am 06. Mai 1937 ging die Epoche der Luftschifffahrt zu Ende. Nach ihrem Start am 04. Mai vom Frankfurter Rhein-Main-Flughafen erreichte die "Hindenburg" ihr Ziel mit 13-stündiger Verspätung: Lakehurst in New Jersey. Bei der Landung explodierte sie und stürzte 20 m senkrecht nach unten; wie durch ein Wunder überleben 62 von 97 Fahrgäste das Unglück.

Im Zweiten Weltkrieg spielten Ballone nur noch eine untergeordnete Rolle. So setzte Japan 1944 über 9000 "Fu-Gos" ab, kleine Wasserstoffballone mit Brand- oder Sprengsätzen (5-15kg), die den Pazifik überqueren und die Bevölkerung der amerikanischen Westküste demoralisieren sollten. Nur 285 trafen nachweislich amerikanischen Boden; dabei kommen immerhin 6 Menschen ums Leben. Die kürzeste Entfernung über den Pazifik beträgt 10.000 km!

1945 BIS HEUTE

Orbiter1

In den fünfziger Jahren veränderten neue Materialien die Ballonfahrt. Polyäthylen - als neues Material für die Herstellung von Ballonhüllen - revolutionierte wissenschaftliche Höhenaufstiege; eine der führenden Firmen: General Mills, bei der auch Ed Yost - der Vater des modernen Heißluftballons - arbeitete. Dort wurden u.a. Wasserstoff-gefüllte Propaganda-Ballone mit Polyäthylen-Hüllen konstruiert, die mit Flugblättern beladen im ehemaligen Westdeutschland aufsteigen und ihre politische brisante Fracht in den sowjetisch kontrollierten Teil des Landes befördern sollten. 1957 konnte Major D. Simons im Polyäthylen-Ballon "Man High II" auf 32.000m Höhe steigen. Dies erfolgte im Rahmen der Forschung für spätere Raumflüge. Wegen Turbulenzen musste er 32 Std. 10 Min in der Luft bleiben.

Die siebziger Jahre standen ganz im Zeichen der Rekordjagd um die Weltmeere. 1970 starteten Malcolm Brighton und das Ehepaar Anderson in der Rozière "Free-Life" zum Versuch einer West-Ost-Atlantiktraverse. Sie schlugen nach 30 Std. im Atlantik auf und kamen ums Leben. 1973 scheiterte Bobby Sparks bei seinem Versuch, in der Rozière "Yankee Sephyr" den Atlantik zu überqueren. 1974 startete Thomas Gatch den Versuch, den Atlantik mit Hilfe des Jet-Streams zu überqueren. Gatch stürzte in den Ozean, das Wrack wurde nie gefunden. Die Fehlschläge nehmen kein Ende.

Ben Abruzzo, Maxie Anderson und Larry Newman hatten 1978 endlich Erfolg. Mit dem Heliumballon "Double Eagle II" überquerten sie in 137 Std. den Atlantik von Maine (USA) nach Evreux bei Paris (Frankreich). Die zurückgelegte Strecke betrug 5781km. Der Ballonsport war wieder in aller Munde. 1979 fand das erste "Gordon-Bennett-Rennen" nach dem Zweiten Weltkrieg statt. In Long Beach, Kalifornien, gewannen Ben Abruzzo und Maxie Anderson in der "Double Eagle III" vor 17 weiteren Teilnehmern. Im gleichen Jahr ging eine weitere Schlagzeile um die Welt: in der Nacht des 15. September flohen zwei Familien in einem selbstgebauten Heißluftballon aus der damaligen DDR.

Seit den achziger Jahren wird die Ballonfahrt zunehmend der Bevölkerung zugänglich. Ballonsportvereine bieten überall Gelegenheit zum Mitfahren. Auch in Marburg entschließt man sich anlässlich des 75jährigen Vereinsjubiläums zur Wiederaufnahme der Ballonfahrt. Eine eigene Ballonsparte wird 1984 gegründet. 1987 überqueren Ballonkonstrukteur Per Lindstrand und der Millionär Richard Branson den Atlantik erstmals mit einem Heißluftballon. Die "Virgin Atlantic Flyer" war mit einer druckbelüfteten Kapsel ausgestattet und hatte einen Inhalt von rund 60.000cbm (Höhe: 53m). 1999, im Jahr des 90jährigen Vereinsbestehens, bewältigen der Schweizer Kinderpsychiater Bertrand Piccard und sein britischer Kopilot Brian Jones die letzte große Herausforderung der Luftfahrt: Die Weltumrundung in einem Ballon. In ihrem "Breitling Orbiter III", einer "Rozière", brauchen sie dafür 370 Std. 24 Min. Nach ihrem Start am 28 Februar in Châteaux d'Oex (Schweiz) legen sie insgesamt 40.814 km in 477 Std. und 47 Min. zurück.