Eine ungeheure Faszination der Fliegerei liegt in der Erschließung der für Menschen normalerweise nur begrenzt zugänglichen dritten Dimension: In der Marburger Gegend können wir die Flughöhe bei gutem Wetter zwischen 500 Fuß (über freiem Gelände) bzw. 1000 Fuß (über Ortschaften) bis hinauf zu 10000 Fuß (Grenze zum Luftraum C) frei wählen. Das eröffnet uns die Möglichkeit die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Ein Beispiel:

Oberweimar im Mai während der Rapsblüte, fotografiert aus 2000 Fuß MSL:

Oberweimar aus 10000 Fuß MSL, das gleiche Bild, knapp eine Stunde später:

Oberweimar ist von nahezu dem gleichen Ort (allerdings in der dritten Dimension um über 2500 m vertikal versetzt) aufgenommen unten rechts zu sehen. Die Inversion im Gegenlicht betrachtet erweckt den Eindruck von einem Meer aus Luft.

Das nachfolgende Bild vom Luftmeer ist im Winter in der Abenddämmerung entstanden. „Unter Luft“ (also unterhalb der Inversionsgrenze) befindet sich die verschneite Landschaft. Die „Feldberg-Insel“ ragt „über Luft“ aus dem Luftmeer heraus:

An so einem Tag ist es auf dem Feldberg-Gipfel deutlich wärmer als in der Umgebung, weil er sich ja in der wärmeren Luftschicht befindet. Das Außenthermometer des Fliegers hat bei einer Inversion nach dem Start in Reichelsheim auf Feldberg-Höhe schon Temperaturunterschiede von 10 … 15 °C angezeigt.

An diesen Beispielen sieht man, dass die Ausbildung zum Pilotenschein auch Kenntnisse aus der Meteorologie vermittelt. Das weckt ein gewisses Interesse, man will mehr erfahren. Hinzu kommen die beim Fliegen gemachten Erfahrungen. Man bekommt ein gewisses Gespür für das Wetter welches man als Fußgänger noch nicht hatte. Man weiß, dass sich meistens nach Sonnenaufgang der Bodennebel lichtet, dass er sich allerdings manchmal durch die Sonneneinstrahlung über feuchtem Boden aber auch bilden kann … Viele Beispiele ließen sich noch anführen.

Aus der Nähe betrachtet sieht der Feldberg so aus:

Bei gutem Wetter ist er ein interessantes Ziel, Du hast am Abend mit der Sonne im Westen von dort einen herrlichen Blick auf Frankfurt. Mit etwas Glück kannst Du über dem Taunus einen schönen Sonnenuntergang erleben. Krönender Abschluss ist der Direktanflug vom Funkfeuer Metro auf die befeuerte Piste von Reichelsheim:

Bei starkem Westwind kann es jedoch sehr gefährlich sein zum Feldberg zu fliegen: Der Abwind im Lee (windabgewandte Seite) kann so stark sein, dass das Steigvermögen von Kleinflugzeugen nicht ausreicht um dagegen zu halten. Die Standardmethode zur Vermeidung dieser Gefahr in Form von ausreichender Flughöhe kann am Feldberg aufgrund von Luftraumrestriktionen nicht angewendet werden. Somit sollten wir den Flug auf einen Tag mit weniger Wind verschieben.

Die Fliegerei ist immer anders und aufgrund der Vielfalt der Sinneseindrücke nie langweilig:

Je nach Wettersituation und Lichtverhältnissen fällt die räumliche Orientierung sehr unterschiedlich aus: Du siehst den Dreihäuser Steinbruch oder die Heskemer Getreidesilos aus Süd schon aus beträchtlicher Entfernung wenn die Sonne von Westen darauf scheint. Tut sie es nicht musst Du angestrengt danach suchen. Ein See der am Tag zuvor noch zur Orientierung gedient hat kann heute bei ungünstigen Sichtverhältnissen fast unsichtbar sein.

Beim abendlichen Flug nach Westen im Gegenlicht bei tiefstehender Sonne erscheinen Flüsse wie silberne gewundene Bänder und Seen wie leuchtende Spiegel. Fliegst Du nach Osten sieht die Landschaft wie ein Relief aus. Bäume und Büsche bilden lange Schatten.

Du kannst Dich an Flussläufen gut orientieren. Bei nicht sehr breiten Flüssen siehst Du aus der Luft jedoch (außer bei Gegenlicht) meistens nicht das Wasser sondern den Bewuchs der sich am Fluss entlang zieht.

Bei guter Sicht kannst Du riesige Flächen überblicken. Von Kassel aus siehst Du die Amöneburg. Von Siegen aus siehst Du den Marburger Richtsberg. Von Marburg aus siehst Du die Hochhäuser von Frankfurt. Das gibt Dir das Gefühl einer ungeheuren Weite und Freiheit.

Ein Flugplatz ist aus einigen Kilometern Entfernung selten an seiner Piste auszumachen weil Du viel zu flach darauf schaust. Du solltest nach den Hallen Ausschau halten. Die Piste siehst Du erst viel später. Wenn Du in der Abenddämmerung an einem klaren Tag mit wenig Luftfeuchtigkeit in Reichelsheim landen willst siehst Du aus Richtung Osten oder Westen kommend auch in Platznähe die Pistenbefeuerung nicht. Sie strahlt nämlich in Pistenrichtung ab und wird kaum gestreut. Aus diesem Grund solltest Du besser nach dem Blitzlicht Ausschau halten. Dieses wird rundum abgestrahlt.

Noch eine Anekdote zum Schluss:

Beim ersten Alleinflug zum Flugplatz Breitscheid hat sich ein Flugschüler gewissenhaft vorbereitet: „Ich fliege zum Sendeturm, dann muss der Platz nordöstlich davon liegen“. Am Sendeturm angekommen wirst er nervös: Kein Flugplatz zu sehen! Das kann doch nicht sein, er muss doch da sein! Er ist auch da. Allerdings ist ein Hügel davor den er bei seinen Google-Earth-Vorbereitungen nicht gesehen hat (Satellitenaufnahme aus der Perspektive von oben). In der realen Welt beim Blick vom Sendeturm nach Nordosten sieht er den Hügel aus einer anderen Perspektive von der Seite. Er fällt bei den heute herrschenden Lichtverhältnissen vor dem übrigen Landschaftshintergrund kaum auf, verdeckt aber die Sicht auf den Flugplatz.

So viel zum Thema „Dritte Dimension und Perspektive“.

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